Heike Makatsch | Keine Lieder über Liebe

Worum geht es in diesem Buch? Es geht um das wohl wichtigste "Fragezeichengefühl" der Welt.
"Wieso nur habe ich so viele Mitesser, obwohl ich doch immer nur für einen koche?"
Scherz, darum geht es natürlich nicht, aber es ist nahe dran. Crazy little thing called love. Einige werden es kennen,
andere werden es nie finden, selbst wenn es rot blinkend vor ihnen stehen würde und mit einem ganzen Meter Jägerzaun winken würde.
Es soll sogar Leute geben, die dieses Gefühl für den grössten Fake der Geschichte halten.
Ich persönlich glaube eher an die Liebe als an die Mondlandung, aber das ist eine andere Baustelle.

"Keine Lieder über Liebe - Ellens Tagebuch" ist eigentlich Teil eines Film-Buch-Soundtrack Projekt mit vielen Leuten,
die ich aufgrund ihrer anderen Arbeiten schon vorher mochte. Die Story ist einfach und relativ "banal". Tobi, hoffnungsvolles
Jungfilmertalent will einen Dokumentarfilm über eine aufstrebende Rockband machen, bei der sein Bruder der Sänger ist.
Dazu will er die Band bei einer kleinen Tour durch Norddeutschland begleiten. Er bittet seine Freundin Ellen mitzukommen.
Was er nicht weiss ist, das ebenjene (im Film Heike Makatsch) mit dem Sänger, seinem Bruder (im Film Jürgen Vogel)
eine heisse Nacht oder besser gesagt einige heisse Stunden hatte. Soweit dann auch schon das Drehbuch besagen Gerüchte.
Das interessante an dem Projekt ist das der Film eben aus der Sicht von Tobi "spielt",
das (Tage-)Buch aus der Sicht von Ellen geschrieben ist und was der grosse Bruder zu sagen hätte,
drückt er über die Musik aus. (Soundtrack "Hansen Band - Keine Lieder über Liebe" Jürgen Vogel singt.)
Dazu könnte ich jetzt auch viel schreiben. Z.B. das die Musik weitläufigst aus dem
Grand Hotel van Cleef Umfeld stammt. Wer damit was anfangen kann, weiss eh Bescheid,
also spare ich mir in diesem Zusammenhang überflüssige Abschweifereien.

Ellen entschliesst sich jedenfalls ihren Tobi zu begleiten, ist aber emotional in einem völligen Chaos verschiedenster Gefühle
und beschliesst deshalb sich durch Tagebuchschreiben Klarheit zu verschaffen. Wir erleben hier also - ich will es vorwegnehmen,
denn eigentlich ist es nicht so fürchterlich überraschend - ein "very close-up" eines Beziehungsendes.
Schätzungsweise eine Woche in komprimierter Form. Aus der Sicht und mit den Worten von Ellen bzw. Heike Makatsch.

"Nichts ist für immer. Liebe ist so ein filigranes Geschöpf, einmal falsch angeguckt, und schon bricht es zusammen.
Gerade dann, wenn der Moment gekommen ist, den man halten will, der Glück verspricht, sollte man am besten
schnellstens weglaufen, loslassen. Dann kann man vielleicht gerade noch dem unweigerlich auf das Glück folgendem
Schmerz entkommen, von dem man sich nie wieder erholt."

... heisst es sehr früh schon im Buch. Schön ausgedrückt, Frau M., aber "NEIN!!!!" Alles in mir wehrt sich gegen diese Aussage.
Aber das Ausdrücken kann sie gut, die Frau M. Wenn Männer WIRKLICH wissen wollen, wie kompliziert (oder wie simpel) Frauen manchmal denken,
sollten sie das Buch lesen. Natürlich denken nicht alle Frauen so hochpoetisch wie Frau M. es hier als Ellen in ihr Tagebuch schreibt,
aber diese Zweifel und Gedanken ("Warum merkt "ER" denn nicht, was ich jetzt brauche?" "Wieso ruft er JETZT nicht an?" usw. usw.)
wird wohl jede Frau kennen - und: Hey - ich glaube sogar, dass einige Männer das kennen werden..., diese grenzenlose Sehnsucht nach Nähe,
während der andere gerade ganz unsensibel eigenen Gedanken nachhängt.... Ja, man könnte schon in Versuchung kommen zu denken,
dass 2 Menschen wirklich keine Einheit sein können... jedenfalls nicht mit 2 eigenständigen Gehirnen.

"Je passiver man sich verhält desto weniger angreifbar macht man sich." Ich hasse diesen Satz, aber er stimmt. Leider.
Natürlich ist man angreifbar, egal wie auch immer man sich verhält, aber nur so kann man auch begriffen werden.
Schweigen oder Nichtverhalten ist nämlich auf bis zu 7000 Arten auslegbar (je nach Phantasiegrad),
ohne dass man bzw. meistens wohl eher FRAU auf die richtige, banalste und naheliegendste kommt.

"In einer Welt in der nichts mehr zählt, besteht die Befreiung darin eine Verbindung einzugehen, die von Wert ist."
Für diesen Satz könnte ich Frau M. um den Hals fallen, so wunderschön hätte ich es nicht ausdrücken können, aber genau das ist es.
Es ist eine Befreiung, ja gerdazu eine Bereicherung, eine ICH-Erweiterung sich auf einen anderen Menschen einzulassen.
Und wenn man dann den anderen Menschen als das Wunder wahrnimmt und dafür schätzt, wie er/sie/es ist,
ist da auf einmal sehr viel Platz für Liebe. So einfach ist das? Ja, so einfach ist das.

Man kann sich (auch über längere Zeit) gerne mal in sich selbst oder einem anderen Menschen täuschen. Wohl wahr.
Dennoch bin und bleibe ich eine grosse Lovemantikerin auf der Suche nach dem Menschen, der es wert wäre,
dieses grosse Gefühl "Liebe" mit "Leben" zu füllen. Weil ich weiss, dass es geht. Davon bin ich genauso überzeugt,
wie irgendwelche Forscher, die sich völlig gegen alle Logik oder die Meinung der werten Mitplanetarier mit "abstrakten"
oder unmöglichen Theorien oder Dingen beschäftigt haben und dann etwas entdeckten, was heute kein Kind mehr anzweifelt,
weil jeder es für normal hält. Zum Beispiel das die Erde doch keine Scheibe ist!

Buch fertig. Merkwürdig, so spannend es zu lesen war und so richtig einige der Gedanken in dem Buch beschrieben waren,
so unbefriedigend finde ich das Ende. Aber so ist das wohl im Leben. Gerade war das Gefühl noch da und - schwupps - nicht aufgepasst.
Wo ist es hin? Und man ist nicht mal richtig "traurig". Jedenfalls war die Ellen das am Ende nicht. War wohl nicht so wichtig.
Und mal ehrlich, der Tobi, der war das ganze Buch über schon ein farbloser Arsch. Und trotzdem - hatte sie sich nicht GENAU DEN ausgesucht?
Das "Experiment" hat nicht geklappt - beim nächsten Mann wird alles anders - eine weit verbreitete Einstellung -
und dann wird sich wieder gewundert, warum wieder mal alles den Bach runtergeht und es so aussieht,
als würde es nicht funktionieren... das mit der Liebe. Als wär der Mixer dran "Schuld", dass der Kuchen nix wird. Tss.

O.k. - Was bedeutet es nun für mich und mein kleines unbedeutendes Leben? Ich glaube, das Schlimmste was mir passieren kann,
wäre wenn ich nicht mehr bereit wäre, ALLES zu wagen. Wenn ich nicht mehr brenne. Aufgegeben habe zu glauben.
Wahrscheinlich ist es auch das, was mich an dem Buchende so stört. WIESO gibt Ellen auf?
Wieso sagt sie nicht selbst die "magischen Worte" auf die sie vor ein paar Stunden noch so gehofft hatte??
Von denen sie glaubte, dass sie existierten. Ich weiss nur nicht, ob sie mir einfallen würden, diese magischen Worte.
Aber ich hoffe es. Brennend! Und ich würde ALLE Worte ausprobieren, bis ich die richtigen gefunden habe, weil ich weiss, sie sind da - in mir.

Das Wichtigste im Leben ist die Liebe.

   
                   
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